Wenn das System nicht mitspielt
Ein ERP-System gilt als Herzstück der Unternehmensorganisation. Es soll Abteilungen vernetzen, Prozesse verschlanken und dafür sorgen, dass alle Beteiligten mit denselben aktuellen Daten arbeiten. In der Theorie klingt das perfekt – in der Praxis sieht es oft ganz anders aus.
Viele Mitarbeitende empfinden ihr ERP nicht als Unterstützung, sondern als zusätzliche Hürde. Statt Prozesse zu vereinfachen, werden sie komplexer. Statt Transparenz zu schaffen, entstehen neue Grauzonen. Und statt alle zusammenzubringen, führt es oft zu Parallelwelten aus Excel-Listen, Messenger-Chats und persönlichen Ablagesystemen.
Das Ergebnis: Das ERP ist zwar da – aber es arbeitet nicht mit den Menschen, sondern neben ihnen.
Ein modernes ERP muss deshalb mehr können, als Daten zu speichern. Es muss den Arbeitsalltag der Menschen unterstützen, sich an ihre Bedürfnisse anpassen und die Zusammenarbeit fördern, statt sie zu blockieren.
Das Missverständnis: ERP ist nur Technik
Warum viele Einführungen am Menschen scheitern
In vielen Projekten steht die Technologie im Vordergrund: Module, Schnittstellen, Automatisierungen. Das klingt beeindruckend, lässt aber oft einen entscheidenden Punkt außer Acht – den Menschen, der das System täglich nutzen muss.
Wenn die Einführung primär als IT-Projekt betrachtet wird, fehlen wichtige Fragen wie:
- Wie arbeiten die Teams heute tatsächlich?
- Welche Schritte sind für sie selbstverständlich – und welche nicht?
- Welche Probleme soll das ERP im Alltag konkret lösen?
Wer hier nicht hinschaut, baut am Bedarf vorbei.
Die Rolle der Nutzererfahrung
„User Experience“ ist nicht nur ein Modewort. Wenn Bedienungsschritte umständlich sind, Begriffe unverständlich wirken oder wichtige Infos erst nach mehreren Klicks erreichbar sind, sinkt die Nutzung automatisch. Ein ERP, das den Arbeitsfluss stört, wird umgangen – ganz gleich, wie teuer oder modern es ist.
Beispiele für fehlende Mensch-Zentrierung
- Ein ERP verlangt von Außendienstmitarbeitern die gleiche Detailtiefe wie von der Buchhaltung – obwohl diese Daten im Einsatz nicht relevant sind.
- Disponenten müssen zehn Klicks ausführen, um einen Auftrag neu zuzuordnen – statt es in Sekunden erledigen zu können.
- Abteilungen sprechen im Alltag von „Kundenprojekten“, das ERP nennt sie aber „Auftragsnummern“.
Solche kleinen Barrieren summieren sich. Und mit jeder Hürde steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mitarbeitenden eigene Lösungen außerhalb des ERP schaffen.
Was passiert, wenn System & Mensch nicht im Gleichklang arbeiten
Produktivitätseinbußen durch Tool-Wildwuchs
Wenn ein ERP nicht zu den Prozessen passt, weichen Mitarbeitende aus – oft unbemerkt.
Excel-Listen, externe Tools und Messenger werden zu Schatten-Workflows. Die Folge: doppelte Datenpflege, fehlende Synchronisation und mehr Verwaltungsaufwand.
Fehlentscheidungen durch Informationslücken
Falsche oder veraltete Daten können teure Konsequenzen haben. Wenn der Vertrieb ein Angebot auf Basis einer alten Kalkulation erstellt, weil die aktuelle im ERP nicht auffindbar ist, kann das den Auftrag kosten oder die Marge ruinieren.
Vertrauensverlust ins ERP
Vielleicht der gefährlichste Effekt: Wenn Mitarbeitende dem ERP nicht mehr trauen, hat das System seinen Kernzweck verloren. Dann wird jede Zahl doppelt geprüft, jeder Status hinterfragt. Das bremst Entscheidungen und senkt die Effizienz drastisch.

Der Wartungsdienst mit Planungs-Chaos
Ausgangslage & Probleme
Ein mittelständischer Wartungsdienst mit 35 Servicetechnikern und drei Disponenten nutzte ein ERP für die Einsatzplanung. Auf dem Papier lief alles reibungslos – Aufträge wurden angelegt, Termine vergeben, Berichte erfasst.
In der Realität war die Arbeit jedoch geprägt von:
- Zusatzlisten in Excel für die Einsatzübersicht
- Telefonische Rückmeldungen der Techniker, oft erst Stunden oder Tage später
- Unübersichtlichen Masken im ERP, in denen Verfügbarkeiten nur mit Mühe zu finden waren
Die Lösungsschritte
- Visuelle Einsatzübersicht: Statt Listen bekamen Disponenten eine farblich markierte Wochenansicht direkt im ERP.
- Mobile Statusmeldungen: Techniker konnten per Smartphone-Aufruf „erledigt“ melden – mit einem Klick.
- Automatische Benachrichtigungen: Bei Änderungen im Plan erhielten alle Betroffenen eine sofortige Info.
Ergebnis & Lerneffekte
- Abschaffung der Excel-Listen – alle Informationen waren im ERP
- Echtzeit-Übersicht über offene und erledigte Aufträge
- Weniger Rückfragen zwischen Disposition und Außendienst
Der entscheidende Punkt: Die Technik wurde an den Arbeitsalltag angepasst, nicht umgekehrt. Das System nahm Arbeit ab – es wurde nicht länger als Pflichtprogramm empfunden.
Die 5 Prinzipien für ein mensch-zentriertes ERP
Mit den Menschen starten, nicht mit den Funktionen
Analysieren, wie gearbeitet wird, bevor man Funktionen auswählt.
Klarheit über Ziele schaffen
Das ERP muss messbar die Zusammenarbeit verbessern.
Einfachheit vor Vollständigkeit
Lieber wenige, perfekt passende Funktionen als eine Überladung.
Anpassbarkeit ermöglichen
Fachbereiche müssen Änderungen schnell anstoßen können.
Feedback ernst nehmen
Nutzer wissen, wo es hakt – und oft auch, wie man es löst.
Checkliste: Ist Ihr ERP ein Partner oder nur ein Tool?
- Können Änderungen in Minuten umgesetzt werden?
- Ist für alle sichtbar, wer woran arbeitet?
- Wird nur ein System genutzt – ohne Parallel-Tools?
- Werden Daten einmal erfasst und stehen allen zur Verfügung?
- Spiegelt die Prozesslogik den Alltag wider?
- Werden Verbesserungsvorschläge zügig umgesetzt?
Ab 3× Nein: Sie haben Handlungsbedarf.
Schritt-für-Schritt-Anleitung: So machen Sie Ihr ERP teamfähig
Prozesse sichtbar machen
Blockschaltbilder oder Prozesskarten schaffen Klarheit.
Alle Betroffenen einbeziehen
Von der Dispo bis zum Techniker – vor Anpassungen.
Pilotphase mit Feedback
Erst testen, dann groß ausrollen.
Schnelle Erfolge liefern
Verbesserungen in Wochen statt Monaten.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
ERP ist kein Projekt, sondern ein Dauerprozess.
Zusammenarbeit ist kein Extra
Ein ERP, das auf Augenhöhe mit den Nutzern arbeitet, ist ein strategischer Vorteil.
Es schafft Klarheit, reduziert Fehler und steigert Motivation.
Wer Mensch und System in Einklang bringt, macht aus einem Verwaltungstool einen echten Partner – und sichert so langfristig den Erfolg seiner Prozesse.
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