ERP-Datenschutz als Balanceakt

Datenschutz im ERP-System ist weit mehr als eine rechtliche Pflicht. Für viele Unternehmen ist er der entscheidende Faktor, um Vertrauen im Team aufzubauen – oder es zu verspielen.

Gerade in Organisationen mit mehreren Abteilungen, sensiblen Kundendaten und komplexen Prozessen kann eine zu strenge Kontrolle genauso schädlich sein wie zu lasche Regeln.

IT- und Prozessverantwortliche kennen dieses Spannungsfeld nur zu gut: Einerseits müssen sensible Daten geschützt werden, andererseits brauchen Mitarbeitende genügend Freiheit, um effizient zu arbeiten. Der Schlüssel liegt nicht in „mehr Kontrolle“, sondern in klar definierten Rollenrechten und einer bewussten Kontrollbalance.


Problemdefinition: Wo Datenschutz im ERP oft scheitert

Fehler 1: Rollenrechte ohne Konzept vergeben

Viele ERP-Systeme werden mit Standardrollen eingerichtet, die weder zu den Unternehmensprozessen noch zu den tatsächlichen Verantwortlichkeiten passen.

Das Ergebnis: Mitarbeitende haben entweder zu viele Zugriffsrechte (Risiko für Datenmissbrauch) oder zu wenige(Frustration und Prozessverzögerung).


Fehler 2: Kontrolle statt Vertrauen

Ein häufiges Missverständnis ist, dass maximale Überwachung maximale Sicherheit bringt. In der Praxis sorgt dies jedoch oft für Demotivation und ein Klima des Misstrauens.

Zu enge Kontrollen führen zu Workarounds, Schatten-IT und einer sinkenden Akzeptanz des ERP-Systems.


Fehler 3: Datenschutz nur als IT-Thema sehen

Viele Unternehmen überlassen das Thema Datenschutz allein der IT-Abteilung. Dabei betrifft es alle: Führungskräfte, Fachabteilungen, HR, Vertrieb, Einkauf.

Fehlt die abteilungsübergreifende Abstimmung, werden Prozesse nicht sauber abgebildet – und Lücken entstehen.


Risiken bei falscher Rollen- und Rechtevergabe

1. Datenlecks und Compliance-Verstöße

Fehlende Einschränkungen können dazu führen, dass sensible Informationen in falsche Hände geraten – intern wie extern. Das Risiko von DSGVO-Verstößen steigt erheblich.


2. Produktivitätsverluste durch Blockaden

Zu restriktive Rechte verhindern, dass Mitarbeitende notwendige Informationen abrufen oder Aufgaben eigenständig erledigen können. Das bremst Abläufe und frustriert Teams.


3. Vertrauensverlust in der Organisation

Wer sich ständig überwacht fühlt, zweifelt an der Unternehmenskultur. Fehlendes Vertrauen zwischen Management und Mitarbeitenden wirkt sich langfristig negativ auf Motivation und Bindung aus.

Beispiel: Mittelständler findet die Balance

Ausgangslage & Probleme

Ein mittelständisches Unternehmen mit 200 Mitarbeitenden nutzte ein ERP-System mit historisch gewachsenen Rollenrechten.

Viele Zugriffsrechte waren nicht dokumentiert, Änderungen wurden oft ad hoc vorgenommen.

Folge:

  • Vertrieb hatte Zugriff auf vertrauliche HR-Daten
  • Produktion konnte auf Kalkulationsdaten zugreifen
  • Marketing musste für jede Adressliste die IT bitten

Lösungsschritte

  1. Bestandsaufnahme aller aktuellen Rollen und Rechte
  2. Abteilungsübergreifende Workshops, um Anforderungen zu definieren
  3. Erstellung eines Rollen- und Rechtemodells auf Basis der tatsächlichen Prozesse
  4. Schulung der Führungskräfte zum Thema Kontrollbalance
  5. Einführung eines Genehmigungsprozesses für Rechteänderungen

Ergebnisse & Lerneffekte

  • Zugriffslücken wurden geschlossen
  • Unnötige Freigaben entfielen
  • Mitarbeitende konnten eigenständiger arbeiten
  • Das Vertrauen zwischen Abteilungen stieg
  • IT-Support-Anfragen zu Zugriffsrechten sanken um 40 %

5 Prinzipien für sichere und vertrauensvolle ERP-Rollenrechte

  1. Minimalprinzip anwenden – Nur notwendige Rechte vergeben.
  2. Transparenz schaffen – Jeder weiß, wer worauf Zugriff hat.
  3. Regelmäßige Überprüfung – Rollen mindestens einmal pro Jahr prüfen.
  4. Prozessorientierte Rollen – Rechte folgen den Arbeitsabläufen, nicht den Personen.
  5. Vertrauen fördern – Kontrolle so gestalten, dass sie unterstützt, nicht behindert.

Checkliste zur Selbstdiagnose

  • Wissen Sie genau, wer auf welche sensiblen Daten zugreifen kann?
  • Gibt es dokumentierte Rollenprofile im ERP?
  • Werden Rollenänderungen genehmigt und dokumentiert?
  • Prüfen Sie Ihre Rollenrechte mindestens einmal jährlich?
  • Gibt es klare Prozesse zur Meldung von Datenschutzvorfällen?

Schritt-für-Schritt-Anleitung: So schaffen Sie Balance

  1. Analyse der aktuellen Rechte
  2. Definition von Rollen basierend auf Prozessen
  3. Einbindung der Abteilungsleiter
  4. Testphase mit ausgewählten Rollen
  5. Rollout & regelmäßige Kontrolle

ERP-Datenschutz ist kein statisches Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Die richtige Balance zwischen Kontrolle und Freiheit ist der Schlüssel für Sicherheit, Produktivität und Vertrauen.

Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob Ihre aktuellen Rollenrechte optimal aufgestellt sind – und wo es Potenzial zur Verbesserung gibt.

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